Seit dem Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das Thema Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln und Energie in den Fokus gerückt. In Österreich ist die Versorgungslage Dank unserer Bäuerinnen und Bauern gesichert. Die Folgen der Corona-Pandemie, die erhöhten Betriebsmittelkosten und der Klimawandel bringen unsere bäuerlichen Familienbetriebe aber zunehmend unter Druck. Im Rahmen seiner Versorgungssicherheitstour in der Steiermark hat Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig daher in einem gemeinsamen Pressegespräch mit Landesrat Hans Seitinger und LK-Präsident Franz Titschenbacher aktuelle Entlastungsmaßnahmen und Planungssicherheit durch die neue Gemeinsame Agrarpolitik skizziert.
Umfassendes Entlastungspaket der Bundesregierung
Bundesminister Norbert Totschnig erläuterte: „Damit unsere heimische Landwirtschaft auch in Zukunft krisenfest und die Lebensmittelversorgung gewährleistet ist, ist Planungssicherheit entscheidend. Diese Planungssicherheit liefert die neue Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023. Viele Bäuerinnen und Bauern fragen sich, welche Änderungen die GAP mit sich bringt. Um über die derzeitigen Herausforderungen und die GAP als das Zukunftsprogramm für den ländlichen Raum zu sprechen, mache ich eine Versorgungssicherheitstour durch ganz Österreich. Der direkte Austausch mit unseren steirischen Bäuerinnen und Bauern ist mir ein großes Anliegen. Ich möchte ihre Sorgen hören und sie dazu motivieren, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. Um unsere bäuerlichen Familienbetriebe bestmöglich zu unterstützen, hat die Bundesregierung umfassende Entlastungspakete geschnürt. Zusätzlich setzen wir zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen für die Landwirtschaft um. Dazu gehören 9 Mio. Euro für die Produktion von Obst und Gemüse in Glashäusern, die bereits Ende September ausgezahlt wurden. Im Dezember folgt die Auszahlung des 110 Mio. Euro Versorgungssicherungspakets. Rund 17 Mio. Euro davon gehen an gut 21.700 bäuerliche Betriebe in der Steiermark. Außerdem haben wir einen 120 Mio. Euro Stromkostenzuschuss für die landwirtschaftliche Produktion erarbeitet.“
Strategische Reserven anlegen
Agrarlandesrat Hans Seitinger wies in seinem Statement darauf hin, dass die Versorgungssicherheit für die heimische Bevölkerung in einer globalisierten Welt eine enorme Herausforderung sei. Man müsse zu jeder Zeit vorsorgen. „Den Feuerlöscher erst zu kaufen, wenn das Haus brennt, ist zu spät“, so Seitinger. „Österreich muss strategische Reserven anlegen. Nicht nur wie bisher für Öl und Gas, sondern auch für nachhaltige Energieträger wie Holz und Pellets, sowie für Futter- und Düngemittel. Damit können wir die Österreicherinnen und Österreicher auch in akuten Krisen mit Lebensmitteln versorgen. Der Mensch lebt aber nicht von Brot allein, daher ist es notwendig auch in so sensiblen Bereichen wie der Medikamenten- und Rohstoffversorgung unabhängiger von Importen zu werden “, betont der Landesrat. Als weitere zentrale Themen für die heimische Landwirtschaft identifiziert er die Beseitigung von oftmals überbordenden Regelungen sowie den Ausbau der erneuerbaren Energieträger.
Land- und forstwirtschaftliche Produktion stärken
In Zeiten wie diesen hat die sichere Versorgung mit Lebensmitteln höchste Priorität. „Damit unsere Land- und Forstwirtschaft dies weiterhin tun kann, gilt es alles zu vermeiden, was die land- und forstwirtschaftliche Produktion einschränkt oder komplett verhindert. Deshalb ist der Green Deal der EU-Kommission konsequent nachzuschärfen, um die landwirtschaftliche Produktion zu stärken statt zu schwächen“, unterstreicht Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher und erteilt den „rein ideologiegetriebenen Einschränkungen eine klare Absage“. Auch wenn der Green Deal mit der „Farm to Fork“- und Biodiversitätsstrategie teils vernünftige Ziele verfolgt, schwächt er jedoch die heimische und europäische Produktion insgesamt. Denn die Produktion von Getreide, Ölsaaten oder Rindfleisch würde stark zurückgehen sowie Fleisch, Milch, Obst und Gemüse erheblich teurer werden, bestätigen Studien. „Daher ist die vorgesehene Halbierung der Pflanzenschutzmittel-Verwendung differenzierter zu beurteilen und die pauschale Verminderung der Düngemittel-Verwendung um 20 Prozent neu zu bewerten“, so Titschenbacher. Der in Österreich nachhaltig und nachweislich biodiversitätsfördernd bewirtschaftete Wald ist in Kombination mit der Verwendung von Holz als Baustoff ein riesiger Speicher für klimaschädliches Kohlendioxid, der den Klimawandel messbar bremst. Außerdem ersetzt Holz viele Produkte, die aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden. „Doch geplante großflächige Bewirtschaftungseinschränkungen und Außernutzungstellungen der österreichischen Waldfläche konterkariert den nachhaltigen, österreichischen Vorzeigeweg in der Forstwirtschaft“, lehnt Titschenbacher diese im Green Deal, in der EU-Waldstrategie und der REDIII-Verordnung vorgesehenen ideologiegetriebenen Vorhaben strikt ab. Er begründet: „Wälder stillzulegen und sie zu einem Kohlenstoffmuseum zu degradieren statt sie zu nutzen, das heizt den Klimawandel erst richtig an. Außerdem ist jeglicher bürokratische Blätterwald, der die Eigenverantwortung der Waldbesitzer aushöhlt, entbehrlich.“
Regionale Verarbeiter bringen Sicherheit
Eine wichtige Rolle für die Versorgungssicherheit nehmen die lebensmittelverarbeitenden Betriebe ein. Insbesondere durch die räumliche Nähe von Lieferanten und Produzenten können Transportwege und damit auch Emissionen sowie Risiken reduziert werden. Der größte dieser Art in der Steiermark ist die Landgenossenschaft Ennstal mit ihrem Tochterunternehmen Ennstal Milch. Am Standort Stainach wird von den 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Frischmilch der rund 620 Lieferanten zu Getränken, Aufstrichen, Desserts und unzähligen weiteren Produkten verarbeitet. Direktor Harald Steinlechner erläutert: „Die Herstellung und Verarbeitung von Milch erfordert von den Bauern und den Molkereien/Käsereien einen 365 Tage-Job im Jahr. Die Ennstal Milch bewerkstelligt dies tagtäglich seit mehr als 120 Jahren.“