Steiermark setzt europaweit einzigartiges Forschungsprojekt zur künftigen Waldbewirtschaftung auf.
Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für die nachhaltige Forstwirtschaft in Mitteleuropa und somit auch für die Steiermark, dem waldreichsten Bundesland Österreichs. Laut Studien hat sich das Baumsterben in Mitteleuropa in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. Die Dimension ist enorm: Jährlich sterben europaweit rund 300.000 Hektar Wald, was in etwa einem Drittel der gesamten steirischen Waldfläche entspricht. Ein Blick nach Österreich zeigt uns, dass hierzulande alleine im letzten Jahr klimabedingt rund zehn Millionen Festmeter Holz – das sind umgerechnet rund 13 Millionen Bäume – durch extreme Wetterereignisse in Folge des Klimawandels und Schädlingsinvasionen, wie beispielsweise dem Borkenkäfer, zu Schaden gekommen sind. Die Schäden sind mittlerweile deutlich von Satellitenbildern zu erkennen. Und in der Steiermark? Zum Glück war die Steiermark noch relativ gering betroffen. Das klimabedingte Baumsterben betrug im Jahr 2018 rund 500.000 Festmeter. Die enormen Schäden, die im Norden Österreichs passiert sind, können jedoch jederzeit auch die Steiermark treffen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig Vorbereitungen zu treffen.
Steiermark: Europaweiter Meilenstein in der Waldforschung
Um uns auf diese große Bedrohung vorzubereiten und wissenschaftliche Daten über den Wald zu sammeln, untersuchen über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien mit Bohrstöcken und Spaten die Böden und Vegetation in der ganzen Steiermark. Sie sind Teil eines, von Agrarlandesrat Johann Seitinger initiierten, Forschungsprojekts des Landes Steiermark in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Steiermark und den Land&Forst Betrieben Steiermark mit Unterstützung aus Mitteln der Europäischen Union und des Bundes.
Ziel ist es, mit einem praxistauglichen Instrument eine, auf den Standort und die klimatischen Einflüsse angepasste, Planungs- und Beratungsgrundlage für die Waldbewirtschaftung in der Steiermark zu schaffen, die auch digital abrufbar jederzeit zur Verfügung steht. Damit können die Wälder besser klimafit und zukunftsfähig gestaltet sowie die Bewirtschaftungsbedingungen der Forstwirtschaft insgesamt optimiert werden. Jedem Waldbesitzer, jeder Waldbesitzerin steht nach Abschluss der Forschungsarbeiten ab 2021 eine gezielte und auf ihren Standort abgestimmte Empfehlung unterschiedlich geeigneter Baumarten zur Verfügung, die auch jeweilige unterschiedliche Klimaszenarien berücksichtigt. Je nach Risikobereitschaft kann dann die entsprechende Baumartenentscheidung für Aufforstung und Pflege frei getroffen werden. Agrarlandesrat Johann Seitinger zur Herausforderung Klimawandel für die Waldbewirtschaftung: „Der Wald liefert uns den nachhaltigsten Rohstoff in unserem Land, der 55.000 Menschen Arbeit gibt und für 40.000 bäuerliche Betriebe Existenzgrundlage ist. Bis dato hat das Rüstzeug gefehlt, das wir nun unseren Forstwirtinnen und Forstwirten zur Verfügung stellen, um eine optimale Entscheidungsgrundlage für die Bewirtschaftung ihres Waldes zu liefern.“
Waldwirtschaft: Erfolg liegt in der Vernetzung
Mit der wissenschaftlichen Umsetzung wurde die Universität für Bodenkultur, Institut für Waldbau in Wien beauftragt. „Das Wachstum im Wald ist geprägt vom Wasser-, Licht-, Wärme- und Nährstoffangebot. In der Waldwirtschaft werden diese Faktoren normalerweise als stabil betrachtet. Das bedeutet, dass wir für die Ableitung der Waldtypen und die Beschreibung der Baumarteneignung die im Rahmen des Klimawandels zu erwartenden Veränderungen berücksichtigen“, sagt Prof. Harald Vacik. Insgesamt werden drei Klimaszenarien analysiert. Bei dem Projekt der dynamischen Waldtypisierung können sich nicht nur die Grenzen der Höhenstufen verschieben, auch das Wasserangebot ändert sich. Trockenheitsresistentere Baumarten sind gefragt, aber auch eine gute Durchmischung mit Arten, welche mit den zukünftigen Standortbedingungen besser umgehen können. „Stürme, Orkane oder Trockenheit – die Klimaveränderung stellt auch unsere Waldbauern vor große Herausforderungen. Mit dem digitalen Modellierungstool unterstützen wir daher unsere Forstwirte, damit sie heute jene Baumarten auspflanzen können, die dann morgen trotz verändertem Klima vital wachsen können“, sagt Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher. Vorhandene Daten aus dem geografischen Informationssystem des Landes, wie das digitale Höhenmodell, geologische Karten, Standorts- und Klimadaten, werden von der Wissenschaft mit aktuellen Erhebungen im Feld und aus der österreichischen Waldinventur verdichtet. Dazu arbeiten die Forschergruppen aus Graz, Innsbruck und Wien (Uni Graz, Joanneum Research, JR-AquaConSol, Bundesamt und Forschungsszentrum für Wald, ZAMG, BOKU) zusammen mit technischen Büros (WLM, ALPECON). Bis zum Jahr 2021 soll es neben den Karten auch ein Handbuch für die praktische Anwendung im Wald geben, in dem die mehr als 100 Waldtypen mit Empfehlungen zur Baumarteneignung und Bestandsbehandlung für die Steiermark beschrieben sind. „Der Steirische Wald und mit ihm seine Eigentümer steuern unsicheren Zeiten entgegen. Nur mit umfassenden Wissen über unsere Waldstandorte werden wir die Entscheidungsgrundlagen schaffen, um im sich verändernden Klima über einen funktionsfähigen, dem Menschen dienenden Wald zu verfügen“, verstärkt Carl Prinz von Croy, Obmann der Land&Forst Betriebe Steiermark die Bedeutung dieses wichtigen Projektes.
Foto: Lebensressort