Die Verzögerungen bei den EU-Agrarverhandlungen blockieren die Weiterentwicklung der heimischen Landwirtschaft. Die Agrarreferenten drängen daher auf eine rasche Einigung. Fortschritte gibt es bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft und beim Klimaschutz. Das Agrarinvestitionskreditvolumen wird um 50 Millionen Euro aufgestockt.
Dieser Tage tagten die Agrarlandesräte gemeinsam mit Bundesministerin Elisabeth Köstinger unter dem Vorsitz des steirischen Agrarlandesrates Hans Seitinger in Schladming. Hauptthema der Konferenz war die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) und deren in der Folge notwendige Umsetzung in Österreich. Ebenso diskutiert wurden bundesländerübergreifende Maßnahmen, um die Chancen der Digitalisierung in der Landwirtschaft besser nützen zu können. Auch bei der Beschaffung nachhaltiger, regionaler Lebensmittel wollen die Agrarlandesräte weitere Schritte setzen, die Voraussetzung dafür ist allerdings die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Fleisch, Eier und Milch. Der dafür zuständige Gesundheitsminister wird einmal mehr aufgefordert, diese – wie im Regierungsprogramm vereinbart – umzusetzen. Die Landesagrarreferentenkonferenz (LARK) in Schladming markiert den Höhepunkt des steirischen Vorsitzes. Danach wird die Stafette turnusgemäß an den Tiroler Landeshauptmann-Stv. Josef Geisler weitergegeben.
GAP – Agrarlandesräte drängen auf rasche Einigung
Als einziger vergemeinschafteter Bereich in der EU sind europäische Entscheidungen essentiell für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik. „Umso schmerzhafter ist es, dass es auch eineinhalb Jahre nach Ablauf der alten GAP-Periode noch keine Einigung zwischen Kommission, Rat und Parlament gibt. Unsere Bauern brauchen endlich Rechts- und Planungssicherheit!“, fordert Landesrat Hans Seitinger die EU-Institutionen zum Handeln auf. Auch die jüngste Verhandlungsrunde, die in den letzten Tagen in Lissabon stattfand, brachte keine Ergebnisse über die zukünftige Verteilung des rund 387 Milliarden Euro schweren EU-Agrarbudgets. Diese Verzögerungen haben auch dramatische Auswirkungen für die heimischen Bauern, weil nicht klar ist, welche Maßnahmen in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen in Zukunft unterstützt werden können. Das bedeutet zum Beispiel, dass viele Bauern, die von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umsteigen möchten, verunsichert sind, weil sie von der EU noch immer nicht wissen, wie der Umstieg gefördert wird. „Unsere Bauern müssen wissen, welche Maßnahmen für sie in Zukunft relevant sind, denn die Landwirtschaft ist an langfristige Planungen gebunden. Da kann man nicht einfach einen Schalter umlegen. Es ist höchste Zeit, dass die EU-Verhandlungen abgeschlossen werden, ansonsten verlieren unsere Bäuerinnen und Bauern ein weiteres Jahr“, appelliert Seitinger an die Verhandler von Rat, Kommission und EU-Parlament.
„Die Verhandlungen laufen auf europäischer Ebene sehr zäh aber wir müssen noch eine Einigung vor dem Sommer zustanden bringen. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen aufeinander zugehen und dafür wollen wir Wegbereiter sein. Daher haben wir gemeinsam mit Deutschland einen Vorstoß bei den Klima- und Umweltmaßnahmen beim vergangenen Rat in Lissabon gemacht. Die Verankerung von 25 Prozent bei den Öko-Regelungen wäre ein großer Durchbruch. Bereits 14 Mitgliedsstaaten stehen ausdrücklich hinter der Forderung nach 25 Prozent bei den Öko-Regelungen bereits ab dem ersten Jahr der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2023. Wir sind schon seit Jahren Vorreiter und wollen die anderen Mitgliedsstaaten davon überzeugen, dass dieser Weg der richtige ist. Gleichzeitig würden wir einer Einigung einen großen Schritt näherkommen. Der heutige einstimmige Beschluss der Agrarreferenten stärkt mir für die nächsten Verhandlungen den Rücken“, zeigt sich Bundesministerin Elisabeth Köstinger über den Beschluss erfreut.
„Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig ein hohes Maß an Eigenversorgung nicht nur auf europäischer und nationaler, sondern auch auf regionaler Ebene ist. Wir brauchen jeden einzelnen bäuerlichen Betrieb“, bekräftigt Tirols Agrarreferent LH-Stv. Josef Geisler. Geisler erwartet, dass im Zuge der Brüsseler Verhandlungen bei den wesentlichen, noch offenen Punkten in den nächsten Wochen eine Einigung erzielt werden kann. Dann gehe es unter Tiroler Vorsitz im zweiten Halbjahr darum, die europäischen Vorgaben in den Säulen 1 und 2 der GAP in die nationale Umsetzung zu bringen. „Wir wollen das Österreichische Programm so vorantreiben, dass ein Start der neuen Förderperiode 2023 auch wirklich möglich ist. Es braucht hohe Umwelt- und Klimastandards für die Zukunft. Unsere Ökoleistungen in der 2. Säule im Agrarumweltprogramm sind zukunftsweisend und viele Mitgliedsstaaten hinken in dieser Frage hinterher. Unsere Bäuerinnen und Bauern haben sich Rechts- und Planungssicherheit verdient, unser heutiger gemeinsamer Beschluss ist ein wichtiges Signal an die EU-Institutionen“, so Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler.
Bündelung der Kräfte für die Digitalisierung in der Landwirtschaft
„Die Digitalisierung hat die Landwirtschaft schon lange erreicht und sie ist ein ähnlich revolutionärer Schritt, wie der Ersatz der Pferdefuhrwerke durch Traktoren in den 50er-Jahren. Selbstfahrende Traktoren, Gesundheitsdatenerfassung bei Rindern und der Einsatz von Drohnen für einen gezielten Pflanzenschutz sind bereits Realität“, stellt der steirische Agrarlandesrat Hans Seitinger fest. Dieser technologische Fortschritt eröffnet der Landwirtschaft viele neue Möglichkeiten: Durch den Einsatz intelligenter Systeme können beispielsweise Unkräuter schnell erkannt und zielgerichtet entfernt werden. Traktoren können optimiert und somit umweltfreundlich spritsparend gesteuert werden. Auch die Früherkennung von Unwettern wird durch innovative und vernetzte Wettermessdaten maßgeblich verbessert. Österreichweit werden auf drei Standorten (Wieselburg, Mold, Raumberg-Gumpenstein) und auf insgesamt 25 Pilot- und Demonstrationsbetrieben im Rahmen des Projekts „Innovation Farm“, ausgewählte neue digitale Technologien, Trends und Entwicklungen gezeigt, erprobt und weiterentwickelt. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, Industrie und Agrarsektor sollen praxistaugliche Zukunftslösungen für die Landwirtschaft von morgen entwickelt und greifbar gemacht werden. Um die vielfältigen Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, bestmöglich nutzen zu können, vereinbarten die Agrarreferenten in diesem Bereich noch intensiver zusammenarbeiten zu wollen.
Agrarinvestitionskreditvolumen wird um 50 Mio. Euro aufgestockt
Österreich gehört zu den Ländern mit den höchsten Tierwohl- und Lebensmittelstandards. Im Ranking der Tierschutzorganisation „World Animal Protection“ liegt Österreich unter 50 Staaten weltweit auf Platz 1. Um diese Vorreiterrolle beim Tierwohl weiter auszubauen, hat Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger den „Pakt für mehr Tierwohl in der produzierenden Landwirtschaft“ ins Leben gerufen. Neben den 120 Mio. Euro Förderung für Investition in tiergerechte Haltungssysteme wird für dieses Jahr auch der Rahmen für den Agrarinvestitionskredit von 130 auf 180 Mio. Euro aufgestockt. Diese Kredite werden mit einem Zinszuschuss (36 bzw. 50 Prozent) unterstützt und damit werden Bäuerinnen und Bauern bei größeren einzelbetrieblichen Investitionen zum Beispiel Stallbauten, aber auch bei Digitalisierungsprojekten unterstützt. „Unsere Bäuerinnen und Bauern produzieren 365 Tage im Jahr Lebensmittel in höchster Qualität. Jede Investition in unsere Landwirtschaft ist eine Investition in die Zukunft und die Sicherheit der Lebensmittelversorgung in Österreich. Mit den Agrarinvestitionskrediten unterstützen wir wichtige Projekte für unsere bäuerlichen Familienbetriebe“, erklärt Bundesministerin Köstinger. Bis zu 50 Prozent Zinszuschuss sind möglich. Bei einem Stallbau in der Höhe von rund 300.000 Euro sind das immerhin rund 12.100 Euro an Förderungen. „Mehr Tierwohl zu erreichen geht nur gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern“, hält Landesrat Hans Seitinger abschließend fest.
Foto: Land Steiermark Harald Steiner