Milchwirtschaft bleibt herausfordernde Sparte in der Landwirtschaft. Kammerpräsident Franz Titschenbacher mahnt Fairness in der Wertschöpfungskette ein und verlangt für die Milchbauern einen dauerhaft größeren Anteil – Eigenmarken haben toxische Wirkung für Milchbauern und letztlich auch für die Verbraucher
Erneut große Sorgenfalten. Nach einer Verschnaufpause im vergangenen Jahr sind die Sorgenfalten der heimischen Milchbauern wieder sehr groß. Die Ursachen: Seit Jahresbeginn sinken die Erzeugermilchpreise von Monat zu Monat rasant. Gleichzeitig bleiben die Kosten, die die Milchbauern für Energie, Futter und Technik zu bestreiten haben, so hoch wie nie zuvor. Weiters verändert sich das Einkaufsverhalten des Handels und der Bevölkerung stark in Richtung preisgünstigere Eigenmarken. „Das bringt die heimischen Milchbauern mit ihren hohen Qualitätsstandards, die auch von den kleinen Betrieben im steilen Berggebiet gewährleistet werden, enorm unter Druck“, zeigt sich Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher besorgt über die großen Herausforderungen.
Titschenbacher mahnt Fairness in der Wertschöpfungskette ein! „Die Milchbauern brauchen Fairness in der Lebensmittelkette und einen dauerhaft größeren, kostengerechten Wertschöpfungsanteil, um die Herstellung des wertvollen Lebensmittels Milch abzusichern. Nur mit Rindern kann unsere einzigartige und für den Tourismus so attraktive Landschaft gepflegt werden“, betont Titschenbacher und fordert das „System der Preisbildung genau zu durchleuchten und aufbauend darauf Schritte zu setzen.“ Zuletzt ist der Anteil wieder deutlich gesunken, den die Bauern am Endverbraucherpreis erhalten. Von einem Liter Milch im Geschäft kommt in der Landwirtschaft mit 32,3 Prozent nicht einmal ein Drittel an. Das ist für den hohen Arbeitseinsatz eindeutig zu wenig – der Stundenlohn für eine Familienarbeitskraft in einem Milchviehbetrieb liegt laut Grünem Bericht nach Abzug der Sozialversicherung bei nur 8 Euro. „Die Milchviehhaltung zählt zu den arbeitsintensivsten und produktionstechnisch besonders fordernden Sparten, die 365 Tage im Jahr den Einsatz der Bäuerinnen und Bauern beansprucht“, rechnet Titschenbacher vor.
Problem: Immer mehr Eigenmarken in den Geschäften – bestellt wird ein Mercedes bezahlt aber nur ein Polo. Toxisch ist für Titschenbacher der stark wachsende Anteil der auffallend kostengünstigen Eigenmarken in den Geschäften. „Diese schwächen die heimischen Milchbauern und Molkereien und geben dem Handel eine noch stärkere Verhandlungs-, Markt- und Produktmacht“, kritisiert Titschenbacher und gibt zu bedenken, dass nur mehr der Preis und nicht mehr die gleichzeitig vom Handel ständig hinaufgeschraubten Standards im Fokus der Debatte stehen. Der Kammerpräsident fordert Augenmaß bei den Standards und Auflagen ein: „Einen Polo bezahlen, aber einen Mercedes bestellen, das bringt die landwirtschaftlichen Betriebe in der Steiermark um.“
Bereits 68 Prozent Eigenmarken in den Ketten bei weißer Palette. „Weiters kann die heimische Milch bei Eigenmarken-Produkten vom Handel von heute auf morgen durch kostengünstigere ausländische ausgetauscht werden, die teils geringere gesetzliche Arbeits-, Tierhaltungs- oder Qualitätsanforderungen aufweisen.“ Schließlich kann das brisanterweise sogar dazu führen, dass durch Austausch von Marke und Inhalt am Ende des Tages die Preise steigen – zulasten der Konsumenten und der Produktion. Der Eigenmarken-Anteil ist in den Geschäften im Vorjahr auf unglaubliche 63 Prozent geklettert, 2019 lag er noch bei 58,4 Prozent, 2012 waren es etwa 50 Prozent. Bei der weißen Palette (Trinkmilch, Joghurt, Obers, Topfen) lag der Eigenmarkenanteil 2022 in den Geschäften sogar bei 68 Prozent. Dazu kommen noch die Lockangebote durch Schleuderaktionen: Jeder dritte Euro geht für rabattierten Käse über den Ladentisch und bei Butter ist der Aktionsanteil mit 42,5 Prozent ähnlich hoch wie bei Fleisch.
Eigenmarken-Regionalitäts-Check für Butter und Käse: 40 Prozent nicht nachweislich aus rot-weiß-roter Milch hergestellt. Bei 963 Butter- und Käseprodukten haben die Jungbauern kürzlich die Herkunft der Milch überprüft und ein trauriges Ergebnis zutage gefördert: 40 Prozent der Produkte sind nicht nachweislich mit österreichischer Milch hergestellt, bei 60 Prozent besteht kein Zweifel. Bei Eigenmarken-Käse sind bei 41 Prozent die Milchherkunft entweder nicht erkennbar (27 Prozent) oder aus dem Ausland (14 Prozent). Bei Eigenmarken-Butter ist die Milchherkunft bei 28 Prozent entweder nicht erkennbar (21 Prozent) oder aus dem Ausland (7 Prozent). Titschenbacher verlangt Transparenz: „Hochwertige heimische Lebensmittel dürfen nicht unter dem Deckmantel der Anonymität durch kostengünstigere ausländische austauschbar sein. Wir fordern – wie im Regierungsprogramm verankert – eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln.“
Toxische Wirkung auf heimische Milchbetriebe. Sinken die Erzeugerpreise um 2 Cent pro Kilogramm Milch, spart der Konsument nur 9 Cent pro Packung Butter, sofern die Preissenkung weitergegeben wird. Hochgerechnet auf den jährlichen Butterverbrauch pro Kopf ist das eine Ersparnis von nicht einmal 2 Euro. Ein durchschnittlicher österreichischer Milchviehbetrieb verliert durch eine Senkung des Milchpreises um 2 Cent 3.000 Euro seines jährlichen Einkommens.
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