Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig nahm heute in Brüssel beim EU-Agrarrat teil. Dabei bekräftigte er in einem von ihm eingebrachten Tagesordnungspunkt Österreichs „Nein“ zum Mercosur-Abkommen. Das Abkommen würde europäische Produktionsstandards untergraben und bäuerliche Familienbetriebe weiter unter Druck bringen. Totschnig fordert klare Antworten der EU-Kommission hinsichtlich Importkontrollen, finanzielle Wettbewerbshilfen und Schutzmechanismen bei stark steigenden Importen. Diese und weitere Kritikpunkte wird der Landwirtschaftsminister auch dem Handelskommissar Valdis Dombrovskis darlegen.
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig
„Unsere Landwirtschaft in Europa durch immer höhere Standards einzuschränken und gleichzeitig aus Übersee Rindfleisch- und Zucker zu geringeren Standards importieren, passt nicht zusammen. Das Mercosur-Abkommen würde heimische Bäuerinnen und Bauern und in weiterer Folge auch die Versorgungssicherheit in Europa unter Druck bringen. Deshalb bleiben wir bei unserem Nein im Regierungsprogramm. Die EU-Kommission sollte ihren Fokus auf eine starke europäische Landwirtschaft und einen funktionierenden Binnenmarkt bei Lebensmitteln innerhalb Europas richten.“
„Nach wie vor gibt es seitens der EU-Kommission keine aussagekräftigen Antworten zu Importkontrollen oder Schutzmaßnahmen vor Wettbewerbsverzerrungen. Auch eine lückenlose EU-Herkunftskennzeichnung fehlt nach wie vor. Gleichzeitig nimmt die Dynamik in Richtung eines Abschlusses des Mercosur-Abkommens Fahrt auf. Deshalb habe ich beim EU-Agrarrat unsere Kritikpunkte vorgebracht und Österreichs Nein zum Abkommen bekräftigt.“
Österreichs Kritik am Mercosur-Abkommen
Nach wie vor fehlen im Abkommen wichtige Aspekte, aus landwirtschaftlicher Sicht gibt es weiterhin gravierende Bedenken:
- Während Europa die Produktionsstandards laufend nach oben schraubt, spielen diese in Südamerika eine untergeordnete Rolle.
- Eine lückenlose EU-Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln wurde immer noch nicht vorgelegt, was zu einer zusätzlichen Wettbewerbsverzerrung führt. Nur damit können Konsumentinnen und Konsumenten eine transparente Kaufentscheidung treffen.
- In Zeiten wie diesen sollte sich die EU-Kommission auf eine starke Landwirtschaft, einen funktionierenden Binnenmarkt und auf Lebensmittelversorgungssicherheit besinnen anstatt den EU-Markt für Lebensmittelimporte zu öffnen.
- Unausgewogene Handelsabkommen können schwere Auswirkungen auf die europäische Lebensmittelproduktion haben, wodurch ein Ungleichgewicht im Wettbewerb entsteht (Druck auf Erzeugerpreise, Verlust an Marktanteilen oder ein Rückgang der Eigenversorgung).
- Es gibt keine Antworten auf Fragen zu Importkontrollen, finanzielle Unterstützungen der Wettbewerbsfähigkeit und zu Schutzmaßnahmen für die EU-Landwirtschaft.
- Kontrollen hinsichtlich Lebensmittelsicherheit, Veterinär- und Tierschutzstandards finden in den Mercosur-Ländern im Vergleich zur EU weniger häufig und genau statt.
- Auch Rückstandskontrollen und Tierkennzeichnungsregeln entsprechen nicht den EU-Standards.
- Im Gegensatz zu Abkommen mit Neuseeland und Australien fehlen im Mercosur-Abkommen Aspekte zur nachhaltigen Entwicklung von Agrar- und Lebensmittelsystemen.
- Darüber hinaus fehlen umfassende, kumulative Auswirkungsanalysen, um die Auswirkungen auf die EU-Landwirtschaft abzuschätzen.
Auswirkungen des Mercosur-Abkommens auf die EU-Landwirtschaft
- Da in Südamerika Rindfleisch und Rohrzucker aufgrund geringerer Auflagen und Inputkosten bis zu 50% günstiger produziert werden können, betreffen die Auswirkungen vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft.
- Die Rindfleischproduktion in der EU ist 2021 bereits um 1,1% gesunken. Angesichts dessen müsste die EU-Kommission alles daransetzen, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.
- Laut einer Auswirkungsanalyse der EU-Kommission werden mit dem Mercosur-Abkommen die EU-Rindfleischimporte um 30-64 % zunehmen.
- Die Rindfleisch-Produktion in Brasilien stieg zwischen 2010 und 2020 von 8,37 Mio. Tonnen auf 9,39 Mio. Tonnen.
- Dass in den Mercosur-Ländern insgesamt rund 292 Mio. Rinder gehalten werden, zeigt das enorme Exportpotential. Im Vergleich dazu leben in der EU rund 75 Mio. Rinder.
Foto: Hemerka