Österreichs Agrarspitze skizziert beim agrarpolitischen Herbstauftakt des Bauernbundes nächste Schritte, um Bauern zu unterstützen
Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die steigenden Betriebsmittelkosten und der Klimawandel – multiple Krisen stellen unsere Bauernfamilien vor zahlreiche Herausforderungen. „Nur eine starke Landwirtschaft kann uns in Krisenzeiten mit ausreichend Lebensmitteln versorgen. Mehr denn je brauchen wir robuste, krisensichere und faire Wertschöpfungsketten“, betonen Bauernbund-Präsident Abg.z.NR Georg Strasser, Landwirtschaftsminister Nobert Totschnig und LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Beim agrarpolitischen Herbstauftakt des Bauernbundes unter dem Motto „Landwirtschaft stärken, Versorgung sichern“ skizziert die Agrarspitze neue Unterstützungsmaßnahmen und nächste Schritte, um die Versorgungssicherheit aufrecht zu halten.
Strasser: Zeitenwende in der Landwirtschaft
„Unsere Landwirtschaft befindet sich in einer Zeitenwende und damit auch die Agrarpolitik“, leitet Strasser den agrarpolitischen Herbst ein. „Die Versorgung in Österreich mit ausreichend Lebensmitteln ist zwar gesichert, die geopolitischen Turbulenzen wirken sich aber unmittelbar auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. Besonders die Energiekosten schlagen – vom Hof bis zum Teller – voll durch und bringen Bäuerinnen und Bauern zunehmend unter Druck. Diese gilt es jetzt bestmöglich mit einer Stromkostenbremse abzufedern. Wir können unsere Familienbetriebe nicht im Regen stehen lassen“, so Strasser und verweist auf die aktuellen Arbeiten an einem entsprechenden Umsetzungsmodell.
Aufgrund steigender Lebensmittelpreise greifen immer mehr Konsumenten zu billigen Produkten aus dem Ausland. „Deshalb sinken die Absätze heimischer Qualitätslebensmittel und der Dschungel an Handels-Eigenmarken wächst weiter. Wenn wir auch in Zukunft gut durch Krisen kommen wollen, müssen wir den Absatz regionaler Lebensmittel erhöhen. Hier nimmt der Handel eine zentrale Rolle ein“, so der Bauernbund-Präsident.
Die Preise im Supermarkt steigen nicht im selben Ausmaß, wie sich der Kostendruck bei den Bäuerinnen und Bauern für Dünger, Futter und Energie verstärkt. Strasser appelliert deshalb auch an die Konsumenten: „Ziehen wir jetzt an einem Strang und bekennen uns zu Lebensmitteln aus Österreich. Nur so erhalten wir die Versorgungssicherheit unseres Landes auch in Zukunft aufrecht.“
Totschnig: Anhebung der Steuergrenzen, Unterstützungspakete, GAP-Umsetzung
„Ob während der Corona-Pandemie oder seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine – ohne unsere Bäuerinnen und Bauern wären wir in den vergangenen Jahren garantiert nicht so gut durch diese Krisen gekommen. Sie sind es, die uns täglich mit regionalen Lebensmitteln versorgen. Um unsere bäuerlichen Familienbetriebe für die kommenden Herausforderungen zu rüsten, starten wir mit drei wichtigen Eckpfeilern in den Herbst“, betont Totschnig und verweist als ersten wichtigen Punkt auf die Anhebung der steuerlichen Grenzen für die Landwirtschaft. „Uns ist es gelungen, die Grenzen der Pauschalierungsverordnung für die Land- und Forstwirtschaft zum ersten Mal seit 20 Jahren anzuheben. Das ist eine wichtige Maßnahme für unsere Bäuerinnen und Bauern. Denn durch die Preissteigerungen würden viele die aktuellen Umsatzgrenzen überschreiten und hätten ohne Einkommens-Zuwachs plötzlich einen steuerlichen Bürokratie-Aufwand zu stemmen. Indem wir die Pauschalierungsgrenzen anpassen, entlasten wir unsere Landwirtschaft und sichern die heimische Produktion ab.“ Als zweiten Eckpfeiler nennt der Landwirtschaftsminister die von der Bundesregierung beschlossene Stromkostenbremse für Haushalte als zusätzliche Entlastungsmaßnahme neben der ökosozialen Steuerreform, dem 28 Mrd. Euro Anti-Teuerungspaket oder dem 110 Mio. Euro Versorgungssicherungspaket für die Bauern: „Die Stromkostenbremse ist eine wichtige Unterstützung für mehr als 150.000 bäuerliche Familien in ganz Österreich.“ Dass Bundeskanzler Nehammer als weiteren Schritt auch eine Unterstützung für die produzierende Landwirtschaft angekündigt habe, sei ein richtiges Signal zur richtigen Zeit. Die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik bezeichnet Totschnig als „Zukunftsprogramm“ für die Bauern. „Noch im September erwarten wir die Genehmigung der EU-Kommission für unseren GAP-Strategieplan. Österreich gehört damit zu ersten Ländern, die in Umsetzung gehen. Parallel dazu haben wir die Anwendungsverordnung zum Strategieplan diese Woche in Begutachtung geschickt. Sie soll im Oktober in Kraft treten.“ Jetzt gehe es darum, die bäuerlichen Familienbetriebe von diesem Weg zu überzeugen. „Darum starte ich eine Versorgungssicherungstour durch ganz Österreich, um den Bäuerinnen und Bauern das ausgewogene Programm näherzubringen und die Chancen aufzuzeigen“, so Totschnig. „Die neue GAP bringt Stabilität und Orientierung für die nächsten fünf Jahre. So erreichen wir Planungssicherheit für Versorgungssicherheit“, ist der Landwirtschaftsminister überzeugt.
Moosbrugger: LKÖ-Studie zu Kaufverhalten
„Sowohl die Konsumenten als auch die Bäuerinnen und Bauern befinden sich in einem enormen Spannungsfeld, wie unsere Marketagent-Umfrage verdeutlicht. Diese zeigt, dass die Menschen in unserem Land beunruhigt sind, was die Versorgungssicherung mit Treibstoffen, Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Lebens betrifft. 87,6% der Befragten wünschen sich mehr Unabhängigkeit Österreichs vom internationalen Handel, 81% zeigen sich bereit, eine Petition bezüglich einer vermehrten Produktion heimischer Lebensmittel zu unterstützen. Gerade Tierwohl wird als höchst wichtig erachtet. Gleichzeitig geben 65,3% an, nun wegen der Krise sehr viel stärker darauf zu achten, billige Lebensmittel zu kaufen. Die Umfrage zeigt somit den Widerspruch zwischen Forderungen und eigener Handlungsbereitschaft auf“, so Moosbrugger.
„Dieser neuen Situation gilt es Rechnung zu tragen – in der Politik, genauso wie in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette. Bei allem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ist derzeit nicht der richtige Zeitpunkt, um die Standards noch weiter in die Höhe zu schrauben und die Unsicherheit zusätzlich zu befeuern. Wer weiß, dass die Versorgungssituation durch das EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, Green Deal und andere Pseudonachhaltigkeitsstrategien weiter verschärft werden soll, muss am Realitätssinn der EU-Gremien zweifeln. Wir brauchen jetzt Stabilität und keine weiteren Experimente auf Kosten unserer Familienbetriebe und unserer Versorgungssicherheit“, sagt der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich.
„Versorgungssicherheit brauchen wir aber nicht nur im Lebensmittelbereich, sondern auch bei nachhaltigen Rohstoffen und erneuerbarer Energie. Wer die ‚Erneuerbaren Richtlinie‘ auf EU-Ebene liest, kann nur entsetzt sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass praxisferne Akteure den Beitrag unserer nachhaltigen Holzenergie auf ein Minimum zurückfahren. Vielmehr lautet das Motto: Raus aus der fossilen Sackgasse und zwar bald“, schließt Moosbrugger.