2017 war ein turbulentes Jahr, das sowohl von einem starken internationalen Wettbewerbsdruck auf die heimische Landwirtschaft als auch von zerstörerischen Naturkatastrophen wie Spätfrost oder Stürme geprägt war. Zehn Jahre nach der Wirtschafts- und Finanzkrise ist 2018 wieder ein Aufbruch und Optimismus auch in der heimischen Land- und Forstwirtschaft zu spüren – was den bäuerlichen Betrieben wieder Mut und Zuversicht gibt.
Die die Land- und Forstwirtschaft hat sich mittlerweile zu einem globalen Kampfgebiet entwickelt, das zwar teils sehr nachhaltig, aber auch in weiten Teilen ethisch sehr fragwürdig ausgestaltet ist. So werden täglich rund 30.000 Hektar Regenwald gerodet, um Flächen für die billige Soja- und Palmölproduktion freizumachen und darauf billigste Milch- und Fleischprodukte erzeugen zu können. Eine weitere Bedrohung der kleinstrukturierten Landwirtschaft ist durch die enge Vernetzung der Saatgut-, Gentechnik-, Biotechnologie- und Chemiekonzerne gegeben, die massiv auf die Etablierung eines Billigstmarkts ausgerichtet ist.
Agrarlandesrat Hans Seitinger: „In der Steiermark ist unsere Haltung ganz klar: Wir beteiligen uns an keinem Wettbewerb der aggressivsten Biotechnologien, wollen nicht um die höchsten Lebensmittelrabatte wetteifern und letztlich keinen Wettkampf um die Anzahl der meisten Fastfood-Läden bzw. Convenience-Anteile ausfechten. Billig, schnell und ‚mega‘ kann nie unser Anspruch sein! Die einzigen Ziele unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft müssen bewusste Konsumenten, nachhaltigste Bauernhöfe und beste regionale Produkte und Marken sein!“
Arbeitsplätze schaffen, Wirtschaft stärken
Seitinger betont weiters, dass man die Kernaufgaben der steirischen Landwirtschaft auf drei Bereiche herunterbrechen kann: die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln aber auch zunehmend mit erneuerbaren Energien, die Erhaltung von etwa 38.000 Betrieben mit rund 150.000 Arbeitnehmern innerhalb der Land- und Forstwirtschaft, sowie die Bereicherung der kulinarischen Schatzkammer der Steiermark. Weitere wichtige Schwerpunkte der heimischen Landwirtschaft liegen laut Seitinger auf Produktinnovationen, neuen Vermarktungswegen sowie der Weiterentwicklung des Angebots im Bereich Urlaub am Bauernhof.
Größte Herausforderungen
Über die Kernaufgaben der heimischen Landwirtschaft hinaus ist es jedoch auch wichtig, drei besondere Herausforderungen zu meistern: der voranschreitende Klimawandel, die überbordende Bürokratie mit all ihren Hürden sowie das mangelnde Wissen der Bevölkerung rund um das Thema Ernährung. Zu allen drei Problemfeldern sollen noch heuer verschiedene Projekte und Programme realisiert werden, so beispielsweise der Masterplan Klimaanpassungsstrategie des Landes Steiermark, mit dem die negativen Auswirkungen des Klimawandels bekämpft werden. In Hinblick auf Bürokratie soll ein lange geforderter Befreiungsschlag erfolgen, noch bevor zahlreiche Bauern das Handtuch werfen – so Seitinger. Im Bereich Ernährung soll mit gezielten Bildungs-, Beratungs- und Forschungsmaßnahmen entgegensteuert werden.
„Kein zweites Spannungsfeld ist so groß, wie das der Landwirtschaft, weil es so unmittelbar mit unserer Lebensqualität zusammenhängt. Daher sollten wir – wie auf unser Leben auch – gut darauf schauen“, empfiehlt der Agrarlandesrat abschließend.
Entscheidend: Weichen für neue EU-Agrarpolitik ab 2021 werden heuer gestellt. Wichtige Eckpfeiler der künftigen EU-Agrarpolitik werden bereits 2018 eingeschlagen. „Dabei ist die stabile Finanzierung der agrarischen Direktzahlungen und Leistungsabgeltungen für unsere im EU-Vergleich eher kleinstrukturierten Höfe und aufgrund des hohen Anteils an Höfen in den Berggebieten und benachteiligten Regionen von existenzieller Bedeutung“, unterstreicht Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher und betont: „Für die Landwirtschaft ist es inakzeptabel, dass sie die Brexit-Kosten als Sonderopfer trägt.“ In diesem Zusammenhang führte er ins Treffen, dass in den EU-Staaten die jährlichen Verteidigungskosten dreimal so hoch sind (rund 154 Milliarden Euro) als das EU-Agrarbudget (rund 54 Millionen Euro).
Landesbäuerin Auguste Maier: Mehr Bäuerinnen in führende Funktionen. „Mit der von allen österreichischen Landwirtschaftskammer-Präsidenten unterschriebenen Bäuerinnen-Charta sollen mehr Bäuerinnen führende Funktionen in Interessensvertretung sowie bäuerlichen Verbänden und Organisationen übernehmen. Künftig sollen 30 Prozent der Funktionen mit Bäuerinnen besetzt werden“, betont Landesbäuerin Auguste Maier. Alle drei Jahre wird eine Evaluierung erfolgen. Die Bäuerinnen-Charta ist eine österreichweite Initiative der Bäuerinnen-Organisation, die allein in der Steiermark mit 30.000 Mitgliedern die größte Frauenorganisation des Landes ist.
Landesbäuerin Gusti Maier: Mehr Lebensqualität am Bauernhof. Der enorme Marktdruck, der Leistungsdruck, weil immer weniger Menschen am Hof mitarbeiten, die hohen Produktionsauflagen aber auch Konflikte führen objektiven Messungen zufolge zu enormen Stress bei den Bäuerinnen und Bauern. „Mit dem Beratungsprojekt ‚Lebensqualität am Bauernhof‘, mit den drei Schwerpunkten wie Einzel-, Paar- und Gruppengespräche, dem bäuerlichen Sorgentelefon und durch persönlichkeitsbildende Seminare helfen wir mit, mehr Lebensqualität auf den Bauernhöfen zu schaffen“, betont Landesbäuerin Gusti Maier. Das anonyme Sorgentelefon zum Ortstarif (0810 676 810) wurde 2017 von 124 Bäuerinnen und Bauern beansprucht.